Job Coach > Elternschaft in der Schweiz – zwischen Mental Load und Systemlücken
| |

Elternschaft in der Schweiz – zwischen Mental Load und Systemlücken

6 Min.

Über 1’000 Eltern haben ihre Realität mit uns geteilt. 

Wir sind überwältigt. Über 1’000 berufstätige oder in Ausbildung befindliche Eltern in der Schweiz haben an unserer Umfrage teilgenommen. Dafür sagen wir: Danke. 

Danke für euer Vertrauen. Danke für eure ehrlichen, persönlichen, teils auch schmerzhaften Antworten.
Und wir sagen auch: Es hat uns nachdenklich gestimmt.
Denn die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Eltern in der Schweiz kämpfen – strukturell, finanziell, emotional. 

Diese Studie ist kein Jammerbericht. Sie ist ein Spiegel der Realität, in dem sich viele Eltern wiedererkennen werden – und ein Appell an Arbeitgeber, Politik und Gesellschaft, gemeinsam bessere Bedingungen zu schaffen. 

Zur Demographie 

Von den über 1000 Befragten leben 93 % in der Schweiz – besonders stark vertreten: Zürich (22 %), Bern (13 %) und die Westschweiz. 

  • 82 % leben in einem Elternteam, 12 % sind alleinerziehend. 
  • 48 % betreuen zwei Kinder, 38 % ein Kind, 14% 3 oder mehr Kinder. 
  • Von den Befragten waren 80% Frauen, 19% Männer, 1% wollten ihr Geschlecht lieber nicht angeben. 

Mental Load ist kein Schlagwort – es ist Realität. 

Teilzeit ist die Norm – oft unfreiwillig 

Mehr als die Hälfte aller befragten Eltern (56 %) arbeitet in Teilzeit, nur ein Viertel ist vollzeitbeschäftigt. Fast jede fünfte Person sucht aktiv nach einer neuen Stelle.
Die Gründe: Betreuungslücken, starre Arbeitszeiten und die fehlende Flexibilität, Familie und Job miteinander zu vereinbaren. 

  • 66 % sagen: Ich habe Mühe, Familie und Beruf zu vereinbaren. 
  • 69 % fühlen sich mental und organisatorisch überlastet. 
  • 63 % empfinden regelmässig Schuldgefühle. 

Strukturelle Hürden – und emotionale Belastung. Fast 70 % der Eltern kämpfen mit zu wenig Zeit, zu wenig Rückhalt –– und zu viel Verantwortung.  

Teilzeitarbeit ist für Eltern die Norm – oft unfreiwillig. Die Betreuung ist stark auf externe Infrastruktur angewiesen, was Abhängigkeiten schafft. Häufig werden auch Mischformen genutzt. 

Das mit der Vereinbarkeit

Die psychische Belastung ist hoch. Vereinbarkeit scheitert weniger an Motivation als an strukturellen Grenzen – insbesondere bei Arbeitszeit und Flexibilität.  

  • 85 % sagen: Es ist schwer, Familie und Beruf/Ausbildung zu vereinbaren. 
  • 83 % haben berufliche Kompromisse gemacht, z. B. Pensum reduziert oder auf Weiterbildung verzichtet. 
  • Hinzu kommen Vorurteile: Jede vierte Person fühlte sich nach einer Elternpause als „schlechter Elternteil“ abgestempelt.  
  • Beförderungen bleiben häufig aus – 30 % wurden von Projekten ausgeschlossen, 18 % erhielten keine Aufstiegschancen. 

Wir haben ausserdem mehrere Berichte von Kündigungen direkt nach dem Mutterschaftsurlaub erhalten. Mehrere Mütter berichteten davon, dass Stillpausen nicht respektiert oder unangenehm kommentiert wurden. Einige fühlten sich sogar so unter Druck gesetzt, dass sie früher aufhörten zu stillen als sie wollten. Auch wurde die Reduzierung der Stunden nicht genehmigt, was sie dann zur Kündigung zwangen. 

Mehrere berichten zudem von Mobbing oder davon, dass ihre Stellenpensen zwar offiziell reduziert wurden, sie aber dennoch weiterhin 100 % arbeiten mussten. Boni und Lohnerhöhungen werden verwehrt und viele fühlen sich als ob sie nicht mehr mitkommen im Arbeitsalltag. 

Karriere und Familie unter einen Hut bekommen: 78% sehen den Staat in der Verantwortung, 68% den Arbeitgeber 

Die Elternzeit in der Schweiz ist kurz, finanziell belastend und wird vom Staat nicht unterstützt. Viele Eltern wünschen sich mehr Zeit mit dem Kind nach der Geburt. 

  • Nur 6 % sind sehr zufrieden mit der staatlichen Unterstützung – 73 % sind unzufrieden. 
  • Einige erwähnen im Freitext, dass sie auch die Gesellschaft in der Verantwortung sehen. 
  • 44 % pausierten 4–6 Monate nach Geburtmeist unbezahlt (43 %). 

Wir haben nach einer besseren Zukunft gefragt

Stell dir vor, wir sind im Jahr 2035. Was hat sich in der Arbeitswelt verbessert, damit Eltern Arbeit/Berufsausbildung und Familie besser unter einen Hut kriegen? 

Was Arbeitgeber gut machen 

  • 55 % bieten Homeoffice 
  • 16 % finanzielle Betreuungshilfen 
  • Gesamtzufriedenheit mit Arbeitgebern: Ø 3.15 von 5. 
  • Das grösste Plus: Verständnisvolle Kolleg:innen – fast jede:r Zweite profitiert davon. 
  • Auch strukturell bewegt sich etwas: Homeoffice (33 %) und flexible Zeiten (30 %) werden vermehrt ermöglicht. 
  • Nur 10 % erlebten gezielte Förderung als Elternteil – hier ist deutlich Luft nach oben. 
  • Mehr als ein Viertel (26 %) gaben an, keine positiven Veränderungen erlebt zu haben – ein klarer Hinweis, dass viele Arbeitgeber noch nicht genug tun. 

Erlebte Nachteile & Diskriminierung

Eltern zahlen nicht nur organisatorisch, sondern auch karrieretechnisch einen hohen Preis – mit langfristigen Auswirkungen. 

  • 70 % berichten über Benachteiligung im Job, z. B.: 
  • Keine Projektvergabe, keine Beförderung, keine Pensumsreduktion möglich. 
  • 1 von 4 fühlte sich als „schlechtes Elternteil“ abgestempelt, weil sie zurück zur Arbeit gegangen sind. 
  • In Ausbildung: 44 % verlängerten Ausbildungsdauer, 71 % hatten Schwierigkeiten, Familie & Blockseminare zu vereinen.

Was Eltern wirklich brauchen 

  1. Unkomplizierte Eltern-Urlaubsregelungen (Ø 4.28 von 5) 
  2. Flexible Arbeitszeiten (Ø 4.25) 
  3. Verständnisvolle Führungskräfte (Ø 4.17) 
  4. Homeoffice-Möglichkeiten (Ø 4.06) 
  5. Karriere trotz Teilzeit (Ø 3.89) 

 Jobsuchende Eltern – besonders betroffen 

Der Schweizer Arbeitsmarkt ist nicht auf Eltern eingestellt – besonders nicht auf jene, die nach einer Pause zurückkehren. 

  • 59 % finden nur unpassende Teilzeitjobs. 
  • 52 % kritisieren fehlende Homeoffice-Angebote. 
  • 42 % erhalten keine Unterstützung vom RAV. 
  • 40 % sagen: Es fehlen transparente Infos zu familienfreundlichen Angeboten. 
  • Auch gesellschaftliche Vorurteile werden spürbar – rund 1 von 4 Eltern erlebt Benachteiligung allein wegen der Elternrolle. 

Fazit: Elternschaft darf kein Nachteil sein 

Unsere Studie macht deutlich: Eltern wollen arbeiten – aber unter Bedingungen, die fair sind und Raum für Familie lassen. Sie wünschen sich keine Sonderrechte, sondern Strukturen, die das Leben einfacher machen: flexible Arbeitszeiten, echte Karrierechancen trotz Teilzeit und eine Elternzeit, die diesen Namen verdient. 

Wir sind berührt von der Offenheit, mit der Eltern ihre Geschichten geteilt haben. Und wir sind überzeugt: Wer Eltern stärkt, stärkt die Gesellschaft. Arbeitgeber, die echte Familienfreundlichkeit leben, gewinnen nicht nur loyale Mitarbeitende – sondern auch die Fachkräfte von morgen. 

Ähnliche Beiträge

Über Geld spricht man – Warum Lohntransparenz in der Schweiz Fahrt aufnimmt
Eltern als Angestellte: Stark, vielseitig, unterschätzt.